Lieber Vincent Kompany,
herzlichen Glückwunsch – und gleichzeitig Beileid. Du hast tatsächlich das geschafft, was viele Beobachter für einen hoffnungslosen Fall hielten: den FC Bayern München nach dem großen Burnley-Abenteuer wieder in die Spur zu bringen. Ausgerechnet du, der junge Belgier, der in England noch als „taktischer Idealist ohne Plan B“ verspottet wurde, stehst nun an der Seitenlinie in der Allianz Arena. Was nach einer verzweifelten Wette klang, könnte sich als das größte Glück deines Lebens herausstellen – oder als die gefährlichste berufliche Mission, die man sich vorstellen kann.
Denn mal ehrlich: Das große Trainer-Rennen rund um die Bayern glich in diesem Sommer einem Casting, bei dem alle Kandidaten panisch die Flucht ergriffen. Xabi Alonso? Schnell ab nach Madrid, dort hat man zwar auch ein „untrainierbares“ Star-Ensemble, aber immerhin Tradition in Sachen Chaos. Ralf Rangnick? Lieber weiter mit Österreich zur EM-Euphorie reiten, als sich in München die Haare grau färben zu lassen. Oliver Glasner? Roger Schmidt? Sie alle haben höflich gelächelt – und anschließend „Nein danke“ gesagt. Am Ende bliebst du übrig, Vincent. Der Einzige, der mutig (oder verrückt) genug war, in dieses Wespennest zu greifen.
Und doch: Vielleicht war genau das die perfekte Ausgangslage. Denn die Erwartungen an dich waren – nach all den Absagen, Skandalen und Pleiten – erstaunlich niedrig. Man wollte nur jemanden, der Ruhe reinbringt, ein bisschen Leidenschaft zeigt und die Spieler dazu bringt, wenigstens so zu tun, als ob sie miteinander Fußball spielen. Du kamst, sahst und schafftest es, eine Kabine voller Superstars zumindest teilweise hinter dir zu vereinen. Kein kleines Kunststück, wenn man bedenkt, dass in München jeder zweite Spieler sich selbst wichtiger nimmt als den Verein.
Dass dein Burnley-Abenteuer in der Premier League eher ein Fiasko war, scheint in München niemanden mehr zu interessieren. Im Gegenteil: Es macht dich fast menschlicher. Während Pep Guardiola als perfekter Fußball-Professor gilt, Tuchel als schwieriger Taktik-Philosoph und Nagelsmann als Laptop-Trainer ohne Reife abgestempelt wurde, kommst du mit einer Mischung aus Pragmatismus und Energie daher. Deine Botschaft: Wir fangen bei null an, wir kämpfen wieder. Eine Sprache, die auch Bayern-Spieler irgendwann verstehen müssen.
Natürlich bleibt das Risiko. Die Medien warten nur darauf, dich bei der ersten kleinen Ergebniskrise zu zerlegen. In München gibt es keine Schonfrist, keinen „Übergang“. Hier muss sofort geliefert werden: Siege in der Bundesliga, ein Statement in der Champions League, Titel am Ende der Saison. Alles andere ist in der Säbener Straße nicht vorgesehen. Und doch könnte genau dieser Druck deine größte Waffe sein: Du bist es gewohnt, gegen Widerstände zu arbeiten, Außenseiter zu sein, unterschätzt zu werden.
So gesehen: Chapeau, Vincent. Du hast nicht nur den Mut bewiesen, den Posten anzunehmen, den alle anderen verschmäht haben – du hast auch die Chance, das Bild vom „untrainierbaren FC Bayern“ zu verändern. Die ersten Schritte wirken vielversprechend: mehr Leidenschaft, mehr Ordnung, mehr Identität.
Vielleicht bist du also nicht nur die Notlösung, sondern der Trainer, den dieser chaotische Klub tatsächlich gebraucht hat. Ein Mann, der nicht flieht, wenn es schwierig wird – sondern gerade dann bleibt.
Und das, lieber Vincent, ist im Fußballgeschäft heute fast schon ein Meisterstück.